Mobbing in der linken Szene: Problem und Lösungsvorschläge
Linke Strukturen wie Hausprojekte, Autonome Zentren oder Stadtteilgärten haben Instrumente um mit übergriffigem und diskriminierendem Verhalten umzugehen. Was aber wenn nicht mehr tatsächlich Vorgefallenes oder von betroffenen Berichtetes zur Hausverboten und Ausschlüssen führt, sondern Gerüchte? Hier eine Auseinandersetzung zu Mobbing in der linken Szene, welches sowohl aktuell als auch schon seit Jahren ein Problem in unserer Universitätsstadt darstellt. Dieser Artikel ist voll mit konkreter Kritik und noch mehr kontreten Hinweisen, wie Mobbing zu vermeiden ist. Wenn Menschen der Meinung sind, dass einige oder alle der kritisierten Praktiken legitim sind, so kann das in den Kommentaren diskutiert werden.
Politisch motiviertes Mobbing
Städte oder Orte mit kleiner politischen Szene sind mit ihren Gegner*innen, die konservatives, reaktionäres, sexistisches und rassistisches Gedankengut mit sich tragen, reproduzieren und verbreiten ständig konfrontiert. Dieser „äußere Feind“ fördert einen gewissen Zusammenhalt in den kleinen Szenen, auch wenn die ständige Konfrontation sehr anstrengend und kraftraubend ist. Verständlich daher, dass es Linke in Ballungsräume linker Szene zieht. Szeneorte mit einem linken Grundkonsens und bezahlbaren Preisen sind Gold wert und für viele fast schon überlebenswichtig.
Auch relativ kleine Städte, wie unsere (der Ort ist ja egal, Mobbing ist überall ähnlich), haben solche Szeneorte und erlauben es einem linken Millieu „unter sich“ zu sein. Die Alltagskonfrontationen sind rar, die Polizei hält sich unserer Uni-Stadt im Vergleich zu Industriestädten in der Nähe enorm zurück, und die Burschies sind nervig aber scheinen mittelfristig unangreifbar, weshalb man sie der Bequemlichkeit halber auch gerne in Ruhe lässt. Auch die rechts-christliche TOS scheint meist als zu großer Gegner. Was sich jedoch leicht ändern und beeinflussen lässt ist die Szene um uns herum. Während die einen die Szeneorte politisieren und politisch halten, indem sie Vorträge, Filme, linke Feieranlässe usw. einbringen, scheint für andere der Rauswurf das politische Mittel der Wahl zu sein.
Da der Ort dann doch recht überschaubar ist, trotz seiner 15 Wohnprojekte, entwickelte sich eine regelrechte Mobbing-(Un)Kultur heraus: Wie es in kleinen Dörfern üblich ist, geht es viel um Ansehen, was wer geleistet hat, und wie wer sich einen „Fehltritt“ geleistet hat, also von der herrschenden Szene-Norm abgewichen ist. Wenn diese Abweichung in den Augen des diffusen Mobs eine gewisse Qualität erreicht hat, z.B. jemand politisch eine, von der in der Szene herrschenden, politischen Linie zu deutlich abweicht, so wird sie*er zur Unperson abgestempelt. Meistens trifft dieses erst mal unsichtbare Urteil einen der politisch Aktiven, denn wer nicht auffällt entgeht auch dem Dorfgeschwätz (was wieder zu Passivität, Angst und Anpassunsgdruck führt). Gründe können z.B. die Falsche Haltung zum Nahostkonflikt sein (also aus Sicht der Mobber*innen die falsche Seite zu unterstützen) oder mal irgendwann irgendwo z.B. betrunken etwas Dummes gesagt oder getan zu haben. In letzterem Fall helfen dann auch keine Entschuldigungen und Selbstreflexion, das Urteil ist nachhaltig und in Stein gemeißelt. Je nach in der Stadt dominanter linker Strömung, führt eine ‚falsche‘ Haltung zum strukturellen Antisemitismus oder zur Sowjetunion schnell zur Verurteilung.
Umgang mit Abweichung
Wenn eine Regelverletzung vorliegt, die transparent kommuniziert wird und die betroffene Person eine Chance hat, ihr Verhalten zu ändern und wie voll integriert zu werden, mag das ja noch akzeptabel sein.
Meist ist aber der Fall: Das Urteil wird nicht offiziell irgendwo festgehalten, direkt kommuniziert oder gar in einem Plenum oder sonst wie offen zur Diskussion gestellt. Oft erfährt die betroffene Person erst Wochen, Monate oder Jahre später von ihrer Verurteilung oder zumindest vom Grund ihrer Verurteilung. Die Betroffenen spüren erst mal unterschwellig das Mobbing beginnen: Leute aus der Szene hören auf zu Grüßen, schlagen einem die Tür vor der Nase zu, sie werden zu bestimmten Plena oder Parties nicht mehr eingeladen. Offen tritt es dann auf, wenn die betroffene Person beim Betreten eines Szene-Ortes der Zutritt verweigert wird und ihr mitgeteilt wird, dass sie (ggf schon länger) Hausverbot hat. Während es in vielen Szene-Orten auf dem Land klar ist, dass ein Rauswurf aus einem Projekt nicht von Dauer ist und auf dem Plenum jederzeit nochmal besprochen werden kann, hat sich in unserer Stadt leider in vielen Orten etabliert, dass Hausverbote unbegrenzt ausgesprochen werden und die betroffene Person oft nicht mal eine Chance bekommt sich selbst dazu zu äußern.
Offenbar scheint es für die Mobber*innen ein hohes Gebot zu sein, sich regelmäßig über das Verhalten und die Äußerung der Menschen die sich in der Szene bewegen auszutauschen, um inkorrektes Verhalten dadurch weiterzutragen. Auf die Betroffenen zuzugehen und mit ihnen darüber zu reden ist eine müßige Arbeit, die sich die Mobber*innen gerne ersparen. Wichtiger scheint es zu sein, unklare Boykottaufrufe gegen Veranstaltungen der „falschen“ „politisch Aktiven“ weiterzutragen, und zu diskutieren, wann wie ein Hausverbot angemessen ist.
Wen trifft es besonders
Menschen in der Szene, die weder Mobber*innen noch Gemobbte sind, kann es auch leicht treffen. Bei ihnen ist es meistens ein Abweichen der korrekten, akademischen Sprachnorm, was zu einem Rauswurf führen kann. Besonders perfide ist diese, leider vielfach beobachtete Masche: Eine Person wird aufgrund „unkorrekter“ Äußerungen des Ortes verwiesen, und dabei auf eine Art angepöbelt und erniedrigt, dass sie sich dagegen wehren – besonders Menschen die wenig sozialem Status haben lernen diese Selbstverteidigung in ihren Milieus. Dieses Sich Wehren, verpöhnt im akademischen Milieu vieler Szenemenschen, wird nach dem Rauswurf dann als Argument genommen, dass die Person Hausverbote bekommt. Dass ein Hausverbot in einem Projekt dann durch das „Dorfgerede“ zu Hausverboten in anderen Projekten führt, erzeugt eine angespannte Stimmung in den Projekten selbst: Ein Fehltritt kann ein unaufhebbares Hausverbot in einer Vielzahl von Projekten führen. Vor allem für POCs, Arbeiterkinder und andere, die einen weniger privilegierten Bildungsweg hatten und früh lernen mussten sich auch zu wehren, kommt es zu fast unüberwindbaren Hindernissen: Wer nicht sofort versteht, dass dieser Rauswurf von einer Party jetzt gute Gründe hat (feministische z.B.) und nicht z.B. rassistische Motivation die in vielerlei Diskos heute leider immer noch zum Alltag gehören, hat verloren. Das Sich-Wehren, gelernt im rassistischen Alltag, wird von „Schutz“ und „Awareness“ teilweise als Disrespekt der eigenen Überzeugung gewertet und die Person hat oft ein unaufhebbares Hausverbot. Wer es noch wagt auf einem Plenum die Person (die selbst natürlich nicht zur Entscheidung über ihren weiteren Verbleib sich äußern darf) in Schutz zu nehmen, wird sich auf dem Radar der Mobber*innen bereits als potentieller Kandidat für die nächsten Rauswürfe vermerkt (z.B. mit dem Vorwurf des „Täterschützers“).
Besonders drastisch ist diese dörfliche Rauswurfkultur während der Pandemie aufgefallen: Wer auch nur einen anderen Umgang mit den Maßnahmekritischen Bewegungen gefordert hat, als die absolute Ablehnung, kam in den Verdacht selbst „Schwurbler*in“ zu sein oder zumindest „mit Schwurbler*innen abzuhängen/zu kuscheln“. Während der „politische Aktivismus“ pandemiebedingt zurückfuhr, blühte das Mobbing auf, die pandemiebedingten nicht-offenen Orte führten vermehrt zu geschlossenen Diskursräumen, wo Gegenpositionen wie „ich finde die*der macht aber auch richtig coole Sachen“ oder „Was ist daran so schlimm, dass die*der das so sieht?“ weniger eingenommen wurden.
Was ist an Mobbing problematisch?
In den sozialen Berufen gibt es einen klaren Namen für dieses auch dort, in anderer Form, verbreitete Problem: Mobbing. Offenbar wird Mobbing in einigen Städten mit großer Polit-Szene zu einer als politisch wahrgenommenen Praxis, welche aber vielfach negative Effekte hat:
- Menschlich gesehen ist Mobbing einfach ein Desaster.
Eine Szene welche sich durch besonders starkes Mobbing auszeichnet, stößt emanzipatorisch Gesinnte ab und zieht Menschen an, die mit sich selbst unzufrieden sind, aber nicht daran arbeiten, sondern sich an Anderen abarbeiten. Das Umfeld welches von diesem Mobbing mitbekommt, nimmt eine ablehnende Position zur linken Szene und damit oft zur Linken ein, und verbreitet teilweise auch weiter. Utopien, die linke Szene-Orte durch ihre basisdemokratische Struktur und ihr soziales Bewusstsein eigentlich bilden, können durch Mobbing sich als Orte der Hölle darstellen, und dadurch dem Kampf für Utopien den Boden entziehen. Wozu kämpfen, wenn das was wir erreichen noch schlimmer ist, als die herrschende Realität?
Außerdem können Betroffene von Mobbing tief enttäuscht und sozial zerstört werden und sich dadurch teilweise zu Aktiven für die Gegenseite entwickeln, ob dies nun die bürgerlichen Konservativen, die faschistischen Rechten oder der Verfassungsschutz sind. - Mobbing fördert konformes Verhalten und verringert die Selbstkritik.
Wenn sich niemand traut die eigene Wahrnehmung, die eigene Geschichte und Erkenntnisse daraus auszusprechen und öffentlich zu diskutieren, stecken wir als Szene in unseren Strukturen fest. Wir brauchen Kritik und Selbstkritik wie der Fisch das Wasser, um eine flexible und agierende Linke zu sein. Wir müssen verstehen lernen, wie wir unsere Ideen auch in breitere Teile der Bevölkerung tragen können und dazu müssen wir auch das Mindset der Bevölkerung verstehen lernen. Jeder einzelne Mensch kann dazu etwas beitragen. Wir brauchen eine Bewegung, in die viele Bewegungen passen. Vielfalt und Offenheit sind elementar. Mobbing erzeugt das Gegenteil: Einfalt und Geschlossenheit. Wem wirklich etwas an den linken Bewegungen liegt und daran, dass die Gesellschaft voran kommt, muss sich gegen Mobbing engagieren. Aber wie?
Die Mobber*innen lassen sich nicht wegmobben – von Teufel und Belzebub
Im Kampf gegen Mobbing ist wichtig zu verstehen, dass es nicht mit dem Mindset der Mobber*innen bekämpft werden kann. Es gibt keine Guten und Bösen Menschen, wo der Ausschluss der Bösen eine Lösung wäre. Das ist eine rechte Erzählung, die vielfach gegen POC, Geflüchtete, Ausländer*innen, Frauen, FLINTA*, Obdachlose, Marginalisierte, psychisch Beeinträchtigte, Verarmte oder einfach Abweichende angewendet wird. Während Rechte, von konservativ bis faschistisch, einfach „die Bösen“ wegsperren, abschieben, ermorden möchte, angeblich um gesellschaftliche Probleme zu lösen, die sich so aber niemals lösen lassen, ist ein linkes oder auch einfach ein wirksamer Umgang mit Problemen ein anderer: Destruktive Verhaltensweisen werden sachlich kritisiert; es wird kommuniziert, dass nicht die handelnde Person das Problem ist, sondern nur bestimmte Verhaltensweisen; es werden Ursachen gesucht; besseres Verhalten diskutiert und vorgelebt.
Die Ursachen des Mobbings zu erkennen ist schwierig. Eine These wurde zu Begin des Textes vorgestellt. Eine wirksame Bekämpfung der Ursachen wäre, dass wir uns selbst und uns gegenseitig auf die wirklichen Gegner*innen konzentrieren, aufmerksam machen und anhand derer realistisch umsetzbare Kampagnen gestalten. Unrealistische Ziele demotivieren. Dadurch kommen Leute ab die wirklichen Gegner*innen zu bekämpfen, weil sie mächtig erscheinen. So können wir auch gegen Burschies und Gentrifizierung kleinere Ziele ausmachen und angreifen: Das Bürgerfrühschoppen stoppen, dafür sorgen dass Burschies und Alte Herren nicht entspannt die Innenstadt als ihr Revier ansehen. Ihren Ruf und ihre Veranstaltungen abwerten.
Projekte, als vor der Gentrifizierung geschützt Inseln aufbauen, Luxuskonsum (z.B. Luxusautos) in bestimmten Viertel unattraktiv machen, Bewusstsein für Gentrifizierung und für Enteignung als Gegenstrategie erhöhen.
Aber vielleicht sind die Ursachen von Mobbing auch andere, dann wären andere Strategien besser, auch wenn genannte sicher nicht schaden. Das müsste breiter diskutiert werden.
Verhalten gegen Mobbing
Mobbing ist eine Unkultur, also auch eine Kultur, d.h. dass es uns nicht genetisch inne wohnt, sondern wir lernen zu mobben und deshalb auch lernen können, Mobbing nicht zu reproduzieren. Dieser Punkt ist besonders wichtig, weil Betroffenheit (von Mobbing) auch von den Betroffenen oft gelernt wird und sie das dann von denen entweder ihren Peinigern gegenüber oder Anderen gegenüber, die vielleicht „unter ihnen stehen“, z.B. jüngere Szene-Aktive, ausgeübt wird.
Hier eine unvollständige Ansammlung von Vorschlägen, um Mobbing vorzubeugen oder stoppen.
1.) Bewusstsein über das Abfärben von Schlechtem Reden
Wenn X mit Y über Z schlecht redet, so wird das wahrscheinlich Y beeinflussen auch schlecht über Z zu denken. Diese Tatsache sollte immer im Hinterkopf gehalten werden, wenn mensch entweder das Bedürfnis hat über jmd schlecht zu reden, was ja auch wichtig sein kann, um eine Belastung loszuwerden oder mit einer befreundeten Person zu reflektieren. Oder wenn jemand mit einem selbst schlecht über andere redet. Wenn ihr euch also erleichtern wollt, empfiehlt es sich, mit jemandem zu reden, der mit der dritten Person Z nichts zu tun hat, und dazu aufzurufen, dass das gesagte vertraulich ist.
Wenn jemand mit euch über jemanden lästern möchte, zeigt entweder auf, dass ihr an lästern kein Interesse habt, oder bringt eine verständnisvolle Ebene mit ein: Alle Menschen handeln aus Gründen, dass wir jemanden unmöglich finden basiert meistens darauf, dass wir dessen Geschichte und Gründe nicht kennen. Wer Verständnis für ein Verhalten und eine Person hat (und Verstehen heißt NICHT Einverstanden zu sein!!), kann konstruktiv mit dessen Verfehlungen umgehen. Es rät sich auch immer sich oder der anderen Person die Frage zu stellen „Hast du mit Person Z denn schon darüber geredet?“. Urteile für sich zu fällen, ohne mit der Person gesprochen zu haben, mag verzeihbar sein, dann muss aber klar sein, dass das Urteil ein persönliches ist, welches nicht weiterzutragen ist! Ein „Ich komm mit Person Z nicht so klar, aber das ist mein Problem.“ ist völlig in Ordnung, darf halt nicht zu Gruppenverhalten und Hetzkampagnen führen. Auch ein einbringen von positiven Eigenschaften/Taten der Person kann die Lage entspannen: „Ja, das Verhalten von Person Z bei XY fand ich auch doof, aber sie ist da und da voll okay gewesen, das fand ich gut“.
2.) Szene-Gossip Einhalt gebieten
Viele in der Szene haben nicht besonders viel, worüber sie mit anderen Reden können. Vor allem wenn es keine gemeinsamen Aktivitäten gibt, sondern nur eine gemeinsame Position, was auch erklärt warum Menschen mit mehr „aktivistischem“ Anteil es da leichter haben, nicht dem Mobbing zu verfallen als Menschen die sich eher durch ihr Mobber*in-Sein verhalten. Wichtig wäre es da gemeinsame Aktivitäten und gemeinsame Themen zu finden, die nicht aus der Abgrenzung zu Personen besteht. Sowohl politische Aktivitäten wie auch hedonistische Szene-Aktivitäten können da positive Auswirkungen haben.
Alle Menschen in Szene hören hier und da Szene-Gossip über bestimmte Personen. Ein klares Stellungnehmen gegen den Gossip kann sehr hilfreich sein: „Was Person Y in ihrer Freizeit treibt interessiert mich nicht.“, „Person Y wird ihre Gründe haben.“, „Lass uns doch versuchen es einfach besser zu machen, anstatt überjemanden zu reden.“ oder „Hast du schon mit Person Y darüber geredet? Mit jemandem reden hilft viel mehr als über jemanden.“, können da Antworten sein, die weiter helfen.
Wichtig dabei ist auch, bewusst mit dem einen Stress umzugehen, wenn wir manchmal durch bestimmte Personen bekommen: Wenn wir darüber reden, versuchen auch dieser Person gegenüber verständnisvoll zu sein und nach konstruktiven Auswegen suchen, anstatt in Ausschluss und Mobbing.
Der linke politische Umgang mit problematischem Verhalten
Während Mobber*innen ein bestimmtest Verhalten oder bestimmte Aussagen ohne das Beisein der agierenden Person verurteilen und beschließen, daraus Konsequenzen zu ziehen bzw. sich das Verurteilen und diese Konsequenzen auch in beiläufigen Gesprächen oft einfach so ergeben, gibt es auch ein gutes linkes Umgehen mit problematischem Verhalten.
Dieses zeichnet sich durch gewissen Spielregeln aus, die eingehalten werden beim Umgang mit unerwünschtem Verhalten:
1.) Transparenz
Im Gegensatz zum Mobbing erfolgt ein Rauswurf bei übergriffigem Verhalten mit guten Gründen. Der Rauswurf kann zu bestimmten Situationen unabdingbar sein, z.B. wenn die agierende Person zu betrunken oder sonst wie unter Drogen steht oder in Rage oder so ist. Es ist keine große Sache mal irgendwo rauszufliegen und den meisten, die langjährig Aktiv sind, passiert das mal im Laufe ihres Aktivist*innenlebens. Der Rauswurf hat dann Gründe, die beim Rauswurf genannt werden, zusammen mit der Länge der Gültigkeit des Rauswurfs und den Bedingungen, unter welchen ein länger andauerndes Hausverbot gelten bzw. aufgehoben werden. Die meisten Rauswürfe sollten einfach nur für den Abend gelten, aber wenn sich diese Situation wiederholt und für die Aktiven eines Ortes mühsam wird, kann ein Hausverbot beim Rauswurf ausgesprochen werden. Die rausgeworfene Person sollte aber bald, z.B. zum nächsten Plenum die Chance haben, sich nüchtern über den Rauswurfgrund zu unterhalten und ggf mit einer Entschuldigung eine Chance haben, dieses bessere Verhalten zu üben. Bei gravierenden Gründen oder einem enormen Unwohlsein von Anderen durch diese Person, kann der Hausverbot auch für längere Zeit gelten oder immer dann, wenn die betroffene Person anwesend ist. Über ein paar Wochen bis zu einem halben Jahr kann so ein Hausverbot sich ziehen, was aber schon sehr lange dafür ist, weil die Chance sich zu bewähren für die rausgeworfene Person wichtig sein kann und sich sehr positiv auf die Verhaltensänderung auswirken kann.
2.) Ergebnisoffenheit
Es sollte niemals so sein, dass ein Rauswurf oder Hausverbot verhängt wird, weil jemandem z.B. dem Schutz „deine Nase nicht passt“. Rauswürfe sollten sich so gestalten, dass die rausgeworfene Person sich nicht provoziert fühlt, dagegenzuhalten oder zumindest sollte berücksichtigt werden, dass bei gewissen Rauswürfen ein gewisses Dagegenhalten normal ist. Selbst die Polizei und der Rechtsstaat gesteht z.B. einen Fluchtversuch jederzeit zu, dieser darf nicht strafmaßerhöhend berücksichtigt werden, weil Flucht als normale menschliche Handlung zählt. Ein Dagegenhalten duldet die Polizei nicht (seit den neuen Polizeigesetzen noch viel weniger), aber Szene-Akteure sollten ja auch nicht auf dem Level der Polizei agieren, sondern deutlich emanzipatorischer. Es sollte immer Möglichkeiten geben und die sollten die betroffenen Personen auch kennen, um aus der Sanktion (va. Hausverbot) herauszukommen. Wenn Szene-Orte einen engen Verhaltensrahmen setzen und kleine Verstöße schon reichen, um Verbannt zu werden, übertreffen sie oft die Repression des bürgerlichen Staates.
3.) Angemessene Schutzräume
Wenn es um Schutzräume von z.B. sexualisierte Übergriffe betroffenen Personen geht, dann sollte das auch ganz klar das Ziel sein und nicht zu einer Ausrede werden, jmd ganz auszugrenzen. Wir müssen uns klar machen, dass Übergriffe völlig subjektiv sind, d.h. auch ein Verhalten oder eine Handlung als Übergriff wahrgenommen werden kann, die objektiv oder durch alle anderen Personen als unproblematisch eingestuft werden würde. D.h. im Umkehrschluss auch, dass es Schutzräume vor Menschen geben muss, die „nichts falsch gemacht“ haben, die vielleicht nicht mal wissen konnten, was die Betroffene Person verletzt und sich sogar vorsichtig verhalten haben. Daher muss der Schutzraum wirklich nur den Zweck haben, einen Schutzraum für eine Betroffene Person zu sein, und möglichst wenig als Strafe fungieren, die ggf gar nicht angemessen wäre. Kompromisse (Person A nutzt nur Raum A und Person B nur Raum B) und Flexibilität (Person A kommt eh nur Mittwochs und Samstags, dann muss Person B fern bleiben, sonst kann sie aber kommen) können den Schutzraum mit der sozialen Verträglichkeit kombinieren. Auch die als übergriffig wahrgenommene Person hat ein Recht auf Kontakte und Freundschaften, auch wenn es wichtig ist, dass die betroffene Person einen gewissen Vorrang bekommt und gewisse Kontakte zu ihr halten sollten, so sollten diese auch nicht verabsolutiert werden.
4.) Vielfalt
Bei politisch-inhaltliche Gründen sollte die betroffene Person die Möglichkeit haben ihre Ansichten darzulegen, es sollte klar gemacht sein, was dieser Person aus welchen Gründen vorgeworfen wird. Außerdem sollte sie stehts eine Möglichkeit zum Lernen und zur Handlungsänderung ohne großen Gesichtverlust bekommen. Schließlich sind linke Umgangsweisen und Erkenntnisse immer wieder aktualisiert, und auch von Trends abhängig. Diese kann niemand immer kennen und selbst wenn, sollte das kein Maßstab sein, sondern der Wille sich emanzipatorisch zu verhalten und zu äußern. Auch sollte berücksichtigt werden, dass die Linke vielfältig ist, und was als emanzipatorisch oder verwerflich gilt stark von der linken Strömung abhängig ist. Nur weil eine Person einer anderen linken Strömung angehört, sollte sie nicht eines Ortes verwiesen werden! Was für die einen klassenkämpferisch und damit der Kern linker Politik ist, ist für die anderen strukturell Antisemitisch, was für die einen Solidarität mit staatenlosen, entrechtlichten Menschen (z.B. Palästinenser*innen, Kurd*innen usw.) ist, ist für die anderen israelbezogener Antisemitismus. Oder auch, was den einen eine israelsolidarische Position ist, ist für die anderen antimuslimischer Rassismus und Kriegsverherrlichung.
Hier hilft es anzuerkennen, dass z.B. die Person der etwas vorgeworfen wird, z.B. bezüglich anderen Themen wie Rassismus, Sexismus und Flucht doch eine linke Position vertritt und damit, abgesehen von so Stellvertreter*innenkämpfen tatsächlich auch linke Politik vorantreibt. Wenn die Linke ihr Vielfalt verliert und nicht die Überzeugungskraft von Ideen und Aktionen Menschen motiviert, eine bestimmte linke Position/Strömung zu folgen, sondern alleine die Repression und der Normdruck, dann haben wir unseren Vorsprung gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft eingebüßt.
Mobbing als Opfer bekämpfen
Als Betroffener von Mobbing ist es besonders schwer, aber auch hier gibt es viele Möglichkeiten dem Mobbing entgegenzutreten. Dazu gibt es eine Vielzahl von Quellen im Internet, daraus hier ein paar kurze Vorschläge:
- Zeigen Sie Grenzen auf
Und das gleich zu Beginn! Je früher du dich wehrst und zeigst, dass man sich mit dir nicht alles erlauben kann, desto größer ist die Chance, eine Eskalation bereits im Keim zu ersticken.
Auch wenn du dich vor der Konfrontation scheust – das ist völlig normal. Den meisten Menschen geht es so.
Wenn du dich nicht zur Wehr setzst, wirst du immer mehr zum Opfer. Mobber*innen müssen merken, dass sie es mit einer Person zu tun haben, die nicht „kuscht“ und einfach alles über sich ergehen lässt.
Etwa durch eine Reaktion auf eine spitze Bemerkung:
Fragen die Person, was genau sie mit ihrer Bemerkung meint oder bezweckt. Auch eine passende Antwort: „Ich bin mir zu wertvoll, um mich mit diesen Beleidigungen auseinanderzusetzen.“
- Stärke dein Selbstbewusstsein
Häufig suchen Mobber Personen als Opfer aus, von denen sie keine Gegenwehr erwarten. Das sind meist Menschen, die in ihrem Verhalten und ihrer Körpersprache ein geringes Selbstbewusstsein ausstrahlen und sich dadurch noch angreifbarer machen.
Tipp: Affront-Situationen üben
Um sich gegen verbale Attacken zu wappnen und sicher zu kontern, kannst du Affront-Situationen mit einer dir vertrauten Person durchspielen – ähnlich wie Rettungskräfte Extremsituationen immer und immer wieder üben, um dann sicher und souverän zu agieren.
Übe im Rollenspiel mögliche Antworten auf beleidigende Bemerkungen. Kontere mit fester Stimme in aufrechter Haltung und selbstbewusster Körpersprache.
- Suchen Verbündete und Zeug*innen
Mobbing lässt sich selten alleine stoppen.
Abhängig davon, in welchem Bereich die Übergriffe stattfinden – suche Unterstützer*innen, die von den Mobbingattacken mitbekommen. Wenn du Verbündete findest, die dir beistehen, kann das die Mobber*innen verunsichern und in ihrer Macht einschränken.
- Führen ein Mobbingtagebuch
Machen Notizen. Notiere sämtliche Mobbinghandlungen. Führen ein Mobbingtagebuch. Dadurch hast du nicht das Gefühl die Geschehnisse im Kopf umherzuwälzen und dem mehr Aufmerksamkeit als nötig zu geben und du kannst auf schriftliche Zeugnisse über den Prozess zurückgreifen, wenn das Problem mal mit anderen angegangen wird.
- Suchen die Aussprache
Suche die Aussprache mit deinem „Gegner“ – am besten ziehen Sie eine dritte Person hinzu. Greife im Gespräch dein Gegenüber nicht persönlich an, bleib ruhig und sachlich.
Wenn ein Gespräch nichts bringt, dann wende dich an eine höhere Stelle:
- Beschwere dich
Sollte der Mobber bzw. die Mobberin die Übergriffe nicht unterlassen, informiere dein Umfeld. Wenn alles nichts hilft, mache ggf das Mobbing öffentlich, z.B. auf Indymedia. Allerdings solltest du darauf achten keine Namen zu verwenden und auch keine Hinweise einzubauen, die die Mobber*innen oder andere Beteiligte eindeutig kennzeichnet, um ein Gegenmobbing und eine Eskalation zu vermeiden. Bei Fällen in Projekten sollte der Prozess einer Mediation aber vorgezogen werden, und nur wenn sich das Projekt weigert konstruktiv damit umzugehen sollte dieses mit Namen öffentlich genannt werden. Sei sehr vorsichtig mit diesem Schritt, denn wenn ein Projekt genannt wird, fühlen sich auch viele im Projekt, die mit dem Mobbing nichts zu tun haben oder dieses gar einschränken, oft auf die Füße getreten und könnten dadurch ihre Solidarität entziehen.
- Rede dir die Belastung von der Seele
Reden tut immer gut. Spreche mit vertrauten Personen über deine Mobbingsituation. Das können Freunde sein, Bekannte oder Therapeut*innen. Allein dieses „von der Seele reden“ kann entlasten und zur inneren Stärkung beitragen, um sich in weiterer Folge gezielt zur Wehr zu setzen.
- Suche dir ein geschütztes Umfeld
Vielen fehlt oft die Kraft und Energie, gegen Mobbing vorzugehen. Such dir ein Umfeld mit Freund*innen, die dich respektieren, und versuch den Mobber*innen keine Aufmerksamkeit mehr zu schenken.
- Informiere dich
Es gibt mittlerweile zahlreiche Beratungsstellen, die auf Mobbing spezialisiert sind. Diese können dir zu deiner individuellen Situation konkrete Ratschläge liefern.
Auch im Internet gibt es viele Anlaufstellen. Zudem findest du in einschlägigen Foren Unterstützung und kannst dich mit anderen Betroffenen austauschen.
Dieser Artikel wurde im August 2022 auf de.indymedia.org veröffentlicht, aber leider nach einigen Troll-Kommentaren wenige Tage später wieder gelöscht. Auf linksunten.indymedia.org wäre das sicher nicht passiert, aber das wurde ja leider mit fadenscheiniger Begründung 2017 vom Bundesinnenministerium verboten. Vermutlich wusste das BMI bzw. der wohl dahinterstehende sogenannte „Verfassungsschutz“, genau, warum es für sie produktiv ist, das eine freie Indymedia zu verbieten und das restriktive Indymedia bestehen zu lassen.